Henrik Pontoppidan (1857-1944) ist einer der insgesamt drei dänischen Nobelpreisträger für Literatur. Zusammen mit Karl Gjellerup wurde ihm 1917 der Preis für seine „authentischen Beschreibungen des Alltagslebens in Dänemark“ verliehen. Bekannt ist er besonders für seine drei großen Romane, Det forjættede Land von 1898 (Das gelobte Land, 1908), Lykke-Per von 1898-1904 (Hans im Glück, 1906) und De Dødes Rige aus dem Jahr 1917 (Das Totenreich, 1920), die sich mit klassisch existenziellen Themen beschäftigen und alle von Mathilde Mann ins Deutsche übersetzt wurden. Pontoppidan gehört zu den Autoren des von Georg Brandes so genannten Modernen Durchbruchs und greift in seinen Werken zentrale Themen dieser Strömung auf, sowie die Bedeutung von Religion, Erbe, Milieu, Geschlecht. In Dänemark werden Pontoppidans Romane noch heute oft genannt, wenn gebildete Bürgerinnen und Bürger – aus der Politik und dem Kulturbetrieb – nach ihrer Lieblingssommerlektüre gefragt werden. In den Schulen werden vor allem seine frühen sozialrealistischen Erzählungen (z. B. aus der Sammlung Fra Hytterne, 1887) gelesen, in denen die armseligen Verhältnisse auf dem Land kritisiert wird. Zu den beliebtesten gehören „Ane-Mette“ und „Naadsensbrød“ (dt.: Gnadenbrot).
Pontoppidan wuchs als mittleres Kind einer elfköpfigen Geschwisterschar in einer Pfarrfamilie in Jütland auf. Als erster der Familie, aus der viele Pfarrer hervorgegangen waren, studierte Henrik Pontoppidan Ingenieurswesen am Kopenhagener Polytechnikum, brach das Studium jedoch vorzeitig ab und ernährte sich dann zunächst als Heimvolkshochschullehrer, danach als Journalist. Seine erste Erzählung, „Et Endeligt“ („Ein Ende“, 2023) veröffentlichte er 1881 in dem illustrierten Wochenblatt Ude og Hjemme. Im selben Jahr heiratete er die Bauerntochter Mette Marie Hansen (1855-1937), mit der er drei Kinder bekam, von denen eine Tochter schon im Kindesalter starb. 1892 ließ Pontoppidan sich scheiden und heiratete im selben Jahr Antoinette Kofoed (1862-1928), mit der er trotz häufiger Krankheit und finanzieller Sorgen nach eigenen Aussagen glücklich war. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor.
Charakteristisch für Pontoppidans fiktionales Werk ist, dass es oft mehrere verschiedene Versionen desselben Stoffes gibt: von den ersten Entwürfen bis zur Eingliederung in längere Erzählungen oder Romane. Seine Stärke besteht vor allem darin, den Figuren psychologische Tiefe und der Handlung eine epische Breite zu verleihen. Die journalistischen Texte sind oft von einer beißenden Ironie geprägt, sei es wenn er die ländlichen Gasthöfe oder die Theatervorstellungen in Kopenhagen bewertet.
Marlene Hastenplug, 2025